Das Logbuch der Runö 2016

Natürlich gibt es immer noch mal jemanden, der offensichtlich ohne Crew einfach irgendwo unterwegs war, was dann vorsichtshalber auch nur mit Bleistift eingetragen wurde. Andere führen dann wieder sehr ausführlich Logbuch – teils 2 Seiten pro Tag. Mir ist das lieber.

Ich glaube, wenn ich so die (fast immer vorhandenen) Unterschriften ansehe und mit den anderen Eintragungen vergleiche, dann sind die Skipper professioneller geworden und haben vermehrt einen Logbuchbeauftragten ernannt. Er kann, frei von anderen Aufgaben, in Ruhe das Logbuch führen. Wem es unter Deck zu schauklig ist, kann auch eine Kladde auf einem Klemmbrett an Deck führen und die Notizen dann in ruhigen Phasen ins Buch übertragen. Wie auch immer es in dieser Saison geschafft wurde, die (meisten) Eintragungen waren besser zu verstehen als noch in den Jahren zuvor.

Zur Statistik: Unsere Runö war 142 Tage im Wasser, davon 123 Tage unterwegs und hat dabei 4472 sm, davon 88% unter Segel, zurückgelegt. 10 Nächte wurden durchsegelt. Die durchschnittliche Distanz pro Reise liegt bei 449 sm. Hier gibt es allerdings große Unterschiede. Die kürzeste Reise brachte es auf nur 91 sm, während die längste 1592 sm sammelte. Berücksichtigt man aber auch die Dauer der Reise (91 Meilen in 3 Tagen und 1592 in 22 Tagen), so relativiert sich das Bild. Wenn man die 20 Hafentage abzieht, dann wurden im Schnitt 43 Meilen pro Tag zurückgelegt (davon 38 gesegelt). Dabei verbrachte man 8,1 Stunden auf See von denen 7 Stunden gesegelt wurden. Die längste non-stop Tour dauerte 45 h und man erreichte einen Schnitt von 6,6 kn. Verständlich, dass man sich dann mehr Batteriekapazität wünscht. Wenn man so schön segelt ist das Nachladen immer unangenehm. Die Abstände dieses notwendigen Übels kann man übrigens deutlich vergrößern, wenn man selbst steuert. Aber solche langen Törns sind ja auch die absolute Ausnahme.

Die erwähnten Hafentage wurden oft wegen zu viel Wind oder Regen eingebaut. Zum Glück gab es die EM. „Viel Wind & Regen! Gemütlicher Hafentag mit Bier und Fußball“. Einmal wurde allerdings auch ein Hafentag bei bestem Segelwetter eingelegt – um zu segeln, besser gesagt um zu kiten. Die Runö als Kite-Basis zu verwenden ist eine bisher vernachlässigte Form der Nutzung.

89 Personen wohnten für eine begrenzte Zeit auf der Runö. 82% sind Mitglieder der BSV, 12% sind jugendlich. Bedeutet es, dass sich mehr Mitglieder zusammen gefunden haben, um gemeinsam auf der Runö zu segeln? Oder sind die Gäste der vergangenen Saisons inzwischen in die BSV aufgenommen worden? Dazu müsste noch eine Auswertung der Mitgliederstatistik stattfinden, was aber hier den Rahmen sprengen würde. Die durchschnittliche Crewstärke lag bei 5,6 Personen und ist damit im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen.

Unsere Jugend, sonst bekannt für den letzten Törn in der Saison, eröffnete sie in diesem Jahr. Pfingstwetter ist ja häufig warm und sonnig. Nicht so 2016 – mit NW 6-7, Schauböen und Temperaturen um 10°C war es ein rauer Start in die Saison. Dennoch hat keiner der jungen Leute dem Segeln abgeschworen. Ich habe noch mehrfach im Sommer gehört, wie sie mit leuchtenden Augen von dem tollen Pfingstsegeln erzählten. Kälte und Nässe waren vergessen, nur die fliegende Gischt und das berauschende Gefühl bei 10 kn am Ruder zu stehen waren noch da. Wenn das so weiter geht, dann müssen wir uns keine Sorgen um Nachwuchs machen. Hier begann übrigens die Reihe der Lobe für das neue Großsegel (mit den 2 großzügigen Reffreihen) und die verbesserte Segeltasche – und sie hörten bis zur letzten Reise der Saison nicht auf. Vielen Dank an unseren Segelmacher.

Es waren aber neben dem Jugendtörn auch noch andere Jugendliche an Bord, die das Segeln auf der Ostsee (Stoll(p)er Grund!) gleich richtig kennen lernen sollten. „SW 5-6, böig, 1.Reff – Zum Eingewöhnen der 4- und des 9-jährigen ein guter Anfang“, steht im Logbuch. Ich gehe davon aus, dass die beiden in ein paar Jahren auch am Jugendtörn teilnehmen werden, denn im weiteren Verlauf des Törns fand ich die Eintragung „Kinder & Mannschaft begeistert“.

Überhaupt: Das Wetter. Es wurde in dieser Saison alles geboten, was es an Wetter so gibt. Nur nicht immer zu der Zeit, zu der man es erwartet hätte. Es war nicht immer wie an Pfingsten. Es gab Zeiten, da wurde (so gesehen in Spodsbjerg) der Wetterbericht im Schaukasten beim Hafenmeister auch schon mal 3 Tage alt und war immer noch gültig: „Auch heute wird wieder ein schöner Tag“. Dennoch sollte man den Wetterbericht beachten, wie die meisten es ja tun. Trotz all der Quellen, die man heute in fast jedem Hafen hat, werden sogar noch Wetterkarten gezeichnet. Vielleicht auch im Rahmen der Ausbildung für den Nachwuchs. Kompliment! Wenn der Bericht und die Analyse dann auch noch stimmen, findet man die folgende Eintragung: „Frühes Aufstehen lohnt sich. Den nächsten Hafen noch vor der Front mit Sturmböen erreicht“. Im August hieß es: „Trotz Kreuz ein schöner Segeltag weil halbwegs sonnig. Man freut sich ja schon über kleine Anzeichen eines Sommers“, im September dagegen wurde die Reise so im Logbuch abgeschlossen: „Vom Wetter her hätte der Törn auch in den Juni gepasst“. Im Juli hatte man wohl von allem etwas. Die Eintragung lautet: „ Nach viel Regen und Wind, Flaute aber endlich Sonne -> Badezeit auf See“.

Besonders gefreut habe ich mich über den Eintrag „Danke, dass alles so gut funktioniert“. Dieses Lob gilt natürlich uns allen, nicht nur denen, die sich im Winter um das Schiff kümmern, denn es zeigt sich immer wieder, dass wir alle die Runö als unserSchiff ansehen und auch so behandeln. Mancher freut sich einfach über diverse neue oder reparierte Dinge an Bord (und vermerkt es im Logbuch). Eine über Bord gefallene Winschkurbel wurde umgehend und durch eine deutlich bessere ersetzt, obwohl noch Ersatz an Bord war. Eine Crew erlebte sogar einen „Tag des Verlierens“ und ging im nächsten Hafen shoppen. Einmal allerdings war man mit den Möglichkeiten am Ende und benötigte Schlepphilfe wegen einer leeren Motorbatterie. Man vermutet, dass der Autopilot sie über den langen Segeltag verbraucht hat. Das soll natürlich nicht passieren – die Stromkreise sind getrennt. Später wurden neue Batterieklemmen installiert und das Problem tauchte nicht mehr auf.

Zusammenfassend möchte ich loben: Es wird repariert und optimiert. Dabei ist es egal, ob man den Schaden selbst verursacht oder schon übernommen hat: Wenn man die Möglichkeit hat unser Schiff zu verbessern, dann wird es gemacht.

Auf einer anderen Reise wurde nach 2,5 Wochen erstmalig eingetragen, dass das Motoröl kontrolliert sowie der Kühlwasserfilter gereinigt wurde! Das allerdings muss mit einem Tadel geahndet werden: Wir haben alle in unserer Ausbildung gelernt, dass man auf einem Boot dem Motor deutlich mehr Aufmerksamkeit widmen muss, als man es heutzutage vom Auto her gewohnt ist. Wenn der Motor im Auto streikt, dann bleibt man eben dort stehen, wo man ist und wartet auf Hilfe. Wenn an Bord der Motor versagt, dann kann das zu einer Katastrophe führen. Der Motor ist immer das letzte Ass im Ärmel, das man noch hat, wenn es kritisch wird. Hätte die Preussen einen gehabt, gäbe es sie vielleicht noch – Ich hoffe, dass die Kontrollen tatsächlich täglich stattgefunden haben, es nur vergessen wurde ins Logbuch einzutragen.

Erfreulich ist, dass fast alle eine gründliche Sicherheitseinweisung vor Reisebeginn machen, nach dem Auslaufen gleich ein paar Bojenmanöver fahren und auch bei wenig Wind mal das Reffen üben. Eintragung: „Schnell konnte gerefft werden, da die Handgriffe saßen“. Bewährt hat sich auch im Laufe der Reise, wenn die Situation es gerade erlaubt, mal ein unangekündigtes Manöver fahren zu lassen. Ein Skipper ließ sich auch von dem Termin eines Fußballspieles nicht hetzen. Die Manöver wurden in Ruhe zu Ende gefahren. Richtig spannend wird es, wenn man vorgibt, dass der Skipper weg ist. Schafft die restliche Crew es allein in vertretbarer Zeit sich zu organisieren und den Skipper zu retten? (Allerdings sollte man den zu verwendenden Fender vorher mit einem Auge präparieren, damit man ihn mit dem Bootshaken auch wieder an Bord bekommt.)

 

In dieser Saison durfte die Runö nun endlich auch ihre Namensgeberin kennen lernen: Die Insel Ruhnu in Estland, die zu Zeiten unserer Stammvereine Runö genannt wurde. Der Hafenmeister soll sehr nett sein. Man übergab ihm einen Stander der BSV und eine Flasche BSV-Vodka (040). Der Stander hängt in seinem Büro…über den Verbleib des Vodkas ist im Logbuch nichts vermerkt, aber ich befürchte er wurde getrunken. Dort steht weiter: „Erkundungstour bis zum Sonnenuntergang. Ist echt schön hier!“

Einer Crew fällt die Gastlandflagge für Schweden beim Setzen über Bord. Nach dem Einlaufen wurde sofort ein neue gekauft. Dann ist man auch auf der sicheren Seite, die richtige Flagge zu führen.

Eine Crew praktiziert die (mir bisher unbekannte) „Gummibärchennavigation“ (1 Gummibärchen = 5 sm) und ist damit offensichtlich immer sicher ans Ziel gekommen. Was sich mir nur nicht erschlossen hat ist, ob man alle 5 Meilen ein Bärchen essen darf / muss, oder ob die Bärchen als Zirkelersatz dienen. Die Fachliteratur schweigt sich aus.

Einmal kreuzte man lange in einen Sund hinein, um dann kurz vor einer (überraschend aufgetauchten?) Brücke hektisch in den Schiffspapieren nach der Masthöhe zu suchen. Ich weiß nicht, ob die Information (20 m) gefunden wurde, aber der Mast stand im Herbst noch. Ich nehme den Hinweis aber gerne auf und werde eine Kopie der Liste mit den Hauptdimensionen der Runö an einem gut sichtbaren Ort anbringen.

Geschwindigkeit ist ja immer wieder ein Thema. Und der knapper werdende Platz auf See auch. Eine voraus schwimmende Ente hat den speed der Runö unterschätzt und wurde „etwas aus der Bahn geworfen“. Als was gelten Enten eigentlich in den KVR? Als Überholer hat man sich jedenfalls immer frei zu halten. Nun, man konnte noch beobachten, dass das Fliegen nicht mehr gut ging, das Schwimmen aber noch gut klappte. Ich hoffe dass sie sich inzwischen von dem Schock erholt hat und auch wieder fliegen kann. Ein anderes Mal schneidet ein Frachter nach dem er überholt hatte den Kurs der Runö knapp vor dem Bug – auch bei der Preussen hat sich ein Dampfer verschätzt, zum Glück ist die Runö wendiger, konnte (Dank der aufmerksamen Wache) einen Haken schlagen und eine Kollision verhindern.

An einem recht flauen Tag wurden endlich die Segel auf der Runö gesetzt. Viele andere Yachten lagen bekalmt in der Nähe, während die Runö mit leisen 3 kn durch das Feld glitt. Ein Crewmitglied bemerkte: „Toll, so kann man sich ja ein Boot nach dem anderen ansehen“.

Wenn man das Potenzial der Runö kennt kann man auch entsprechend planen und „mal schnell nach Anholt zum Baden segeln“. Viele kennen eine GPS Anzeige wahrscheinlich als recht statisch. Wenn man aber auf dem Weg nach Hause ist und Strecke macht, dann kann man später im Logbuch lesen: „ Im Sauseschritt purzeln die Breiten und Längen“.

Über die Manövrierfähigkeit der Runö wurde auch berichtet. Einmal wurde zwischen 2 großen Skandinavienfähren gekreuzt. Hornblower hätte seine Freude gehabt. Was er wohl veranstaltet hätte, wenn er so hätte manövrieren können? Die sehr guten Segeleigenschaften wurden von einer anderen Crew gar nicht weiter erwähnt, sondern einfach genutzt. Man kann es aus dem Logbuch heraus lesen, denn jede Wende wurde vermerkt, als der Alssundaufgekreuzt wurde.

Eine Crew schreibt am Ende der Reise: „Schiff für die Übergabe vorbereitet“. Die nachfolgende Crew beginnt damit das Schiff aufzuräumen. Entweder ist man mit der Vorbereitung nicht fertig geworden oder nicht alle haben das gleiche Verständnis davon, wie ein Schiff zu übergeben ist. Allerdings scheint das kein verbreitetes Problem zu sein, wie andere Einträge zeigen: Übernahme, Vorgänger waren schon abgereist, „Boot wurde in einem sehr vorbildlichen Zustand hinterlassen“. Bei der Endreinigung nimmt jemand tatsächlich mal die Bodenbretter hoch: Lob!! Das sollte im Laufe der Saison gern mehrmals passieren (man wundert sich, was dort im Herbst so zutage tritt). Diese Crew war aber überrascht, dass sich dort noch Bleiballast befindet. „Warum ist der auf einer Fahrtenyacht überhaupt noch an Bord?“ und es wird der Vorschlag gemacht den Bleiballast durch Bier zu ersetzen (das wäre jetzt wohl ungenießbar, da es niemand gefunden hätte). Wäre dieser Ballast nicht mehr dort, würde sich so mancher wundern und sich dann noch eine dritte Reffreihe wünschen. Es sei denn er hat immer 8 Mann auf der hohen Kante sitzen.

Die Häfen sind im Sommer, besonders in der dänischen Südsee, recht voll. Da ist es schön ein schnelles Schiff zu fahren und vor den meisten schon wieder einen Platz gefunden zu haben. Dann kann man sich ganz entspannt dem nachmittäglichen Hafenkino widmen, oder ausgiebig über die Herstellung von Bratkartoffeln diskutieren. Es werden in der ganzen Saison Schweinswale gesichtet. Einmal schwamm einer sogar im Hafen mit einem Schwimmer (Mensch?) um die Wette. Wer hat wohl gewonnen? Allerdings sollte man auch nicht zu früh einlaufen, denn es ist gemein, wenn das frühe Ankommen damit belohnt wird, dass die vermeintlich freie Box dann plötzlich vom Hafenmeister auf „rot“ gestellt wird und man auf einen unkomfortableren Platz verholen muss.

Es ist ja immer schwierig Fotos des eigenen Schiffes von außen zu bekommen. Dafür wurde jetzt ein Weg gefunden. Man unterhalte sich abends nett mit dem Stegnachbarn, lässt ihn morgens bei bestem Fotowetter zuerst auslaufen und überholt ihn später photogen in Luv (ohne ihn zu verärgern). Nun muss dieser Segler nur noch fotografieren, die BSV im internet finden, ein paar emails austauschen und schon hat man ein schönes Foto. Vielen Dank an den Überholten.

Im Hafen von Sonderborg hatte man sogar Kontakt mit der Yacht der dänischen Königin, die vor dem Schloss lag. Leider war Margarete nicht an Bord, sondern machte Ferien auf dem Landsitz in Augustenborg.

Eine Crew vermerkt, dass auf der GPS Karte (von 2016) eine neu aufgeschüttete Steinmole fehlt – und hat es für die nachfolgenden Crews im Hafenhandbuch vermerkt. Das ist lobenswert. Und es ist eine Bestätigung für den Grundsatz: Der Kartenplotter ist immer nur unterstützend zu verwenden. Sonst kann so ein Fehler im Dunklen schnell zum Problem werden.

In Sassnitz wurde man nachts durch laute Livemusik im Schlaf gestört, was zu einem frühen Auslaufen führte. Belohnt wurde dieser Pyjamastart mit einem tollen Lichtspiel der aufgehenden Sonne auf den Kreidefelsen des Königstuhls, von Kap Arkona und Møns Klint.

Die Roald Amundsen ist ja inzwischen in der BSV recht bekannt geworden. Nun durfte die Roald auch die Runö kennen lernen, als die eine die andere am Heck rundete und mit einer La-ola-Welle grüßte. Der Leser mag sich selbst überlegen, wer beim wem ums Heck segelte.

Am Anfang einer Reise ließ sich eine Crew nicht bange machen, obwohl man auf Fehmarn eine Rettungsaktion mit leckgeschlagenem und später gesunkenem Schiff erlebte. Zum Glück war es nicht die Runö und man entschloss sich dennoch auszulaufen. Der Rest des Reiseberichtes zeigt, dass es sich gelohnt hat.

Mancher ist „etwas betrübt, dass es morgen vorbei ist“. Doch nachdem Törn ist ja bekanntlich vordem Törn. Die Planung für 2017 läuft bereits und die ersten Wochen sind gebucht.

Tim Ullner