Das Logbuch der Runö 2017

Auch in diesem Jahr wurden wieder 3 Logbücher mit nautischen Daten gefüllt. Erfreulicherweise setzte sich der Trend fort auch weniger nautische, mehr persönliche Daten in den Logbüchern zu verewigen, insbesondere Zeichnungen wurden gern genommen. Und verewigen ist dabei wörtlich gemeint. Das von uns verwendete Speichermedium „Build-in orderly organised knowledge“, kurz „BOOK“ ist voraussichtlich auch in hunderten von Jahren noch lesbar (https://ecee.colorado.edu/~bart/book/book.htm) – im Gegensatz zu auf CD gesicherten Daten, die nach einigen Jahren bereits nicht mehr lesbar sind. Alle erhaltenen Logbücher unserer Yachten liegen im Bull’n zum Schmökern aus. Das einzige Lesegerät, das dafür möglicherweise benötigt wird, ist eine Brille.

Fast hätte sich die Auswertung der Reisen 2017 beträchtlich verzögert, denn als ich am Ende unserer Saison das restliche Liegegeld in Burgtiefe bezahlte, ließ ich die 3 Bücher beim Hafenmeister liegen. Es war kurz vor Feierabend und schon zu der Zeit im Jahr, in der Hafenmeister auch mal in den Urlaub fahren dürfen. Beim traditionellen Einkehren auf dem Heimweg (A1, AS Oldenburg Mitte) klingelte das Telephon. Also fuhr ich noch mal kurz zurück auf die Insel, um die Dokumente zu holen. Dennoch war die Auswertung eine Herausforderung. Es wurde (meistens) vermerkt, wo es hinging. Der gewählte Weg jedoch bleibt ein Geheimnis. Eine Crew hat zwar minutiös jede Kursänderung notiert, aber leider keine Landmarken, Positionen oder wenigstens Distanzen dazu vermerkt. Dann ist es schon ein mühsames Unterfangen herauszufinden, wo sie gelandet sind. Erschwerend kommt hinzu, wenn der Name des Ortes nur so ähnlich notiert wird, wie er in der Karte steht. Genug der Vorrede. Was war 2017 los?

Ich glaube alle haben inzwischen mitbekommen, dass unsere Runö den vergangenen Sommer in den Stockholmer Schären verbracht hat. Als Wechselhafen diente entweder der Wasahamn direkt in der City von Stockholm oder der Heimathafen des KSSS (Kungliga Svenska Segelsällskapet) in Saltsjöbaden, wo das Frühstück im historischen Grand Hotel im Logbuch gelobt wird. Hier hat die Runö auch die Tage gelegen, in denen sie leider nicht bewegt wurde.

Zuvor hatte ich ja Bedenken unser Schiff so fern der Heimat allein zu lassen, aber nachdem ich im Vorwege intensiven Mailkontakt zum Vorsitzenden des KSSS hatte, waren sie aus dem Weg geräumt. Die Hafenmeister (-innen) hatten immer ein wachsames Auge auf die Runö. Ganz so, wie wir es aus Burgtiefe gewohnt sind. Nur die Gegend ist eben anders: „Man muss gar nicht weit fahren. Einfach mal schön vor der Tür segeln (Saltsjöbaden, rund Harso)“.

Der DSV hat die BSV zum Verein des Jahres 2017 gekürt. Ausschlaggebend dafür war vor allem die besondere Jugendarbeit. Dabei wurde die Rücküberführung der Runö durch unsere Jugendlichen (ja, in Begleitung von 3 erfahrenen Erwachsenen) besonders hervorgehoben (500 sm 5 ½ Tage). Die Flüstertüte berichtete ja bereits darüber. Was aber nicht so in den Vordergrund kam, ist, dass die Überführung nach Norden ja quasi auch von unseren Jugendlichen geleistet wurde. Na gut, sagen wir Ex-Jugendliche. Nachdem sie ein Jahr zuvor den SKS auf der Runö erworben haben, konnten sie nun zeigen, was sie können. Nicht nur nautisch (Törnziel ohne Probleme erreicht), sondern auch kulinarisch (täglich neue Kompositionen), musikalisch (schöner Musikabend am Strand) & touristisch (Badestrand bis Wikingerfestung). Im Logbuch steht: „Schweinswale im Kielwasser heben die ohnehin schon gute Stimmung“ auf dem Weg nach Norden. Häufiger wurde ich darauf angesprochen, dass es ja sehr komfortabel sei, wenn die jungen Leute das Clubschiff in den schönsten Schärengarten der Welt segeln, damit die alten Herren dann dort segeln können. Und die Leute haben Recht! Das ist ein Luxus, den sich nicht jeder Verein leisten kann.

Wir waren früh in der kurzen schwedischen Segelsaison unterwegs. Das hatte zur Folge, dass einige sanitäre Anlagen noch im Winterschlaf waren. So lernt man die Hafenführer auch saisonal zu interpretieren. Baden in der Ostsee war allerdings keine Alternative. Die Temperaturen waren noch einstellig. Ein Betreiber einer Hot Dog / Softeis Bude hatte sogar Mitleid mit einem Crewmitglied und schenke ihm eine Wolldecke für die kühlen Nächte an Bord. „Isn’t it too early to sail?“ „Not during daytime, just the nights are chilly.“ Andere Einrichtungen sind zu jeder Jahreszeit geöffnet. So konnte eine Crew „zufällig eine Führung durch die Kirche“ erleben, während der „Ort noch im Winterschlaf“ lag. Ein anderes Mal gab es sogar ein „durchaus hörenswertes Chorkonzert“ in einer Kirche. Ich wusste gar nicht, dass bei uns das christliche an der Seefahrt so gelebt wird.

Wenn man so früh in der Saison unterwegs ist, hat das aber auch den Vorteil, dass man selten Schwierigkeiten hat einen Liegeplatz zu finden und häufig sogar allein ist. Dann kommt mancher auch auf Ideen. So wehte z.B. der große BSV Stander zeitweilig am Flaggenmast einer Jugendherberge in den äußeren Schären. Später liest man: „In Schweden beginnt die Saison…ausreichend Platz, wo 5 liegen, passen auch 8 hin“

Alte Hausmittel, besser: Bootsmittel, wurden erfolgreich wiederbelebt: „Etwas Salatöl ins Klo hilft gegen quietschen und es lässt sich auch gleich viel leichter pumpen.“ (Und die Pumpe lebt auch länger, Anm. d. Verf.).

Es wurde aber auch gesegelt. Dabei konnte eine Crew feststellen, dass der Spi recht groß ist und geübter Hände an Schoten und Ruder bedarf. Zufrieden konnte später notiert werden, dass man auf gleichem Kurs auch ohne Spi 11,8 kn erreicht hat. Auch der Tagesschnitt von 8,3 kn lässt kaum Wünsche offen.

Einmal lief die Runö mit den ersten Teilnehmern einer größeren Regatta ein und fand so noch einen guten Liegeplatz. Die nachfolgenden 100 Boote lagen etwas gedrängt. Dafür war die Stimmung im Hafen wohl glänzend. Der Vorteil bei solchen Großveranstaltungen ist in diesem Fall auch die Versorgung. So konnte sehr unbürokratisch eine gebrochene Segellatte ersetzt werden. „Kein Geld dabei? Kein Problem, Ihr seid doch die Tage in Stockholm, dann kommt dort einfach mal in der Werkstatt vorbei.“ Was dann auch so gemacht wurde. Und wie der Zufall es wollte, konnte der Besuch gleich mit einer kleinen Reparatur an unserer Genua verbunden werden. Die Nachfolgecrew dankte.

Achtmal fand ich den Eintrag: „Wunderschönes Segeln durch die Schären“. Muss hier ein Plagiatsverfahren eröffnet werden? Ich glaube nicht, denn man kann es gar nicht oft genug erwähnen. Ein Eintrag lautet: „Ruhiges Wasser, 20 kn Wind, 9,5 kn FdW“. Da muss man an manchen Stellen schon aufpassen, ob noch genug Platz zum Überholen ist. Doch es gibt auch andere Boote, die so schnell unterwegs sind, nur haben die meist keine Segel. Neben den von vielen Bildern bekannten Ansichten schöner Steine im Wasser ist das Bild einer „AIDA“, „Disney Dream“ oder „Serenade of the Seas“ eher ungewohnt. Eben überlegt man noch, ob das Fahrwasser für die Runö groß genug ist und dann kommt plötzlich so ein Hochhaus um die Ecke. Immerhin mit leicht gedrosselter Fahrt.

Es gab sogar eine Rettungsaktion in den Schären: „Jet-Skifahrer saß auf antriebslosem Gerät (kaum schwimmfähig), langer Schlepp, Bootshaken zerbrochen, Nationale verloren und wieder eingesammelt, Havarist an KSSS Motorboot übergeben, anschließend sonnen im KSSS Gasthafen.“

Einmal wurde sogar ein U-Boot in den Schären entdeckt. Dieses Mal soll es schwedisch gewesen sein, wo in der Gegend doch früher russische U-Boote gesichtet wurden.

Neu an Bord war ein Krümelverbot für den Rudergänger nachdem das Lenzloch in der Ruderbilge wiederholt verstopft war.

Die üblichen Hotspots der Schärenwelt wurden mehrfach angelaufen. In der Paradisviken war das Wetter leider alles andere als paradiesisch (SSW 5 und Regen), daher wurde auf das Ankern verzichtet und ein Hafen in der Nähe angelaufen. Anders war es in der Napoleonsviken (= Napoleons Badewanne, er soll hier tatsächlich einst gebadet haben). „Highlight einer herrlichen Woche unter Segeln in den Stockholmer Schären. Der Verzicht auf Restaurants und luxuriöse Sanitäranlagen wird durch eine unglaublich schöne Natur um ein Vielfaches ausgeglichen. Lediglich das Ankermanöver eines anderen deutschen Seglers und unsere Wasserpumpe störten die abendliche Ruhe. Der Sprung an Land ermöglichte Spaziergänge und Kletterpartien mit einer schönen Aussicht auf die Umgebung. Törntipp: Das Ankern in den Schären ist ein Muss für jeden Schärentörn.“ Mehrmals wurde die Insel „Runö“ passiert, einmal lädt sie sogar zum Ankern ein.

Gewöhnen mussten sich die Meisten an die Mooringtonnen oder –leinen. Das Abschätzen der Entfernung von Tonne zum Steg erfordert etwas Übung. Eine Crew ist erfreut, dass die Runö über genügend lange Leinen verfügt und dass einer an Bord in der Lage ist sie sehr schnell zusammen zu knoten. Erleichternd bei der Handhabung der Mooringleinen, die vom Grundgewicht zum Steg geführt sind, ist die Schärenschnitte, die sich um die Vorleinen kümmert während man selbst mit der Heckleine kämpft. (Logbucheintrag: „Runö-Wiki: Schärenschnitte, die, Kommt meist zu mehreren in Sandhamn am Steg angelaufen, um einen Liegeplatz anzuweisen. Auch Hafenmeisterin oder Hamnen-Personal genannt“). Übrigens kann man Sandhamn offensichtlich ganz unterschiedlich erleben. „Möja wollte uns nicht, war zu flach, weiter nach Sandhamn, gute Entscheidung“ oder „Sandhamn überbelegt & laut àLökholmen 1 sm E-lich: Idyllischer geht es nicht“

Ebenso erfordert es Übung den richtigen Punkt zu finden, an dem der Heckanker zu fallen hat. Man möchte die Felswand erreichen und dennoch einen festen Anker haben. Viele haben diese Übungen bravourös gemeistert und diverse Stellen im Stockholmer Vorgarten gefunden, an denen man vom Vorsteven aus an Land gehen kann. Wenn es nicht ganz reichte, dann wurde das Schlauchboot als Seilfähre verwendet. Schade ist, dass die sich seit Jahren an Bord befindlichen Schärenanker nicht gefunden wurden, wo sie endlich mal zum Einsatz hätten kommen können. Zumindest ging es einer Crew so, ob andere sie verwendet haben ist nicht überliefert. (Sie liegen Bb unter der Messekoje neben dem Reserveanker)

Aber es wurde nicht nur die schöne Welt der Schären bereist. Ein paar tollkühne Segler haben es auch bis auf die Aaland Inseln geschafft. Eintrag: „Mit 9 kn wie auf Schienen über die Ostsee nach Marieham“. Andere erlebten dasselbe Seegebiet so: „Grobe See, nur gereffte Fock, FdW >9 kn, Seekrank = Frühstück weg!“ Wenn man dann aber da ist: „Endlich mal ein Hafen mit ausreichend Wassertiefe: 17 m. Super Sanitäranlagen inkl. Sauna, Stadtgang mit Musikfestival.“ Eine Crew wollte nicht nur die Hauptstadt besuchen und hat nach Rückfrage „finnische Karten auf den Aalands gekauft, gute Entscheidung.“ So ausgerüstet konnte der Archipel sicher erkundet werden. Und das hat sich offenbar gelohnt: “ Mittagspause mit Turmbesteigung (42 m über Fels) und edlem snack (Lachs & Lachstartar).“

Über das Wetter lässt sich ja immer meckern. „Das war aber wieder ein mieser Sommer in diesem Jahr“, hat doch wohl jeder von uns kürzlich gehört. Im Logbuch findet sich der folgende Eintrag: „Sonne satt & super Landschaft“. Natürlich gab es auch mal Starkwind und Regen. Da ist man froh nicht in den uns meist bekannten Häfen der dänischen Südsee zu liegen, sondern z.B. das Wasamuseum besuchen zu können. Oder einfach mal eine der schönen schwedischen Städte zu erkunden. In Norrtälje z.B. gibt es neben einem Phytagoras Museum auch noch den Idrottsbakken, von dem aus man sowohl den Fjord als auch die innere Seenlandschaft bewundern kann.

Eine Crew besuchte auch historische Stätten: „… hier wurde die Runö vor 3 Jahren gekauft, leider ist hier nix los, keine Versorgung, nur Behinderten WC.“

„Björnö bietet außer Clubanlagen nichts à lieber weiter segeln“ versus „Ein kleiner Steg, kleine Insel, geselliger Abend“ Die Erwartungen an den idealen Liegeplatz sind unterschiedlich. Und gerade deshalb ist es so schön, dass die meisten Crews ihre Erlebnisse so notiert haben, dass die Nachfolger sich ein Bild machen konnten und von den Erfahrungen der Vorgänger profitieren konnten. Dazu gehören natürlich auch die Positionen von schönen Liegeplätzen an den „Klamotten“, an denen man z.B. „einen schönen Morgen“ erleben kann.

Es hat mich gefreut, dass selbst im hohen Norden die Ausbildung nicht zu kurz kommt: „Anlegen üben àklappt noch nicht so ganz“, es wurden aber keine Schäden festgestellt. Ablegen unter Segeln. „Kommt eher selten vor. Leichte Brise, ablandiger Wind, keine Hindernisse.“ Aber auch das Feiern darf nicht zu kurz kommen: „Skipper lädt Mannschaft wg. bestandener SSS Prüfung zum Essen ein.“ Und kurz darauf: „…lädt Crew und Skipper zur Tapasbar wg SKS“.

Den Rest des Sommers verbrachte die Runö dann wieder „im Süden“, im vertrauten Revier. Den Weg nach Kopenhagen kennt sie wohl auswendig, aber die dänische Hauptstadt ist immer wieder eine (dieses Mal auch zwei) Reise wert: „Schöner Stadtausflug in Kopenhagen. Softeis, Pølser, Bier & Streetfood…was braucht man mehr?“ steht da im Logbuch. Ich freue mich, dass Pølser nun endlich nicht mehr als Streetfood gelten, sondern als ordentliche Mahlzeit. Mag der Weg auch bekannt sein, so sieht er doch nie gleich aus. Auf dem Hinweg steht im Logbuch: “ Ein sehr schöner Segeltag bei besten Bedingungen“ und „Ein sonniger Tag mit Flaute“, während auf dem Rückweg von „Dauerregen und S 7“ die Rede ist. Auf der zweiten Tour wurde wegen Starkwind ein Hafentag eingelegt: 47 kn (9-10 Bft oder Sturm bis schwerer Sturm steht in der Windstärkentabelle). Da ist es doch tatsächlich mal besser im Hafen ab und zu die Leinen zu kontrollieren, als auf See durchgepustet & -schüttelt zu werden.

Ein Höhepunkt der Saison war dann kurz vor Ende der Ü 70 Törn. Ein paar verwegene Salzbuckel, die aber das Logbuch nicht mehr selbst unterschreiben möchten, fanden jemanden, der etwas jünger war und bereit die Verantwortung zu übernehmen. Eine schöne Veranstaltung, die hoffentlich wiederholt wird.

Last but not least hat sich eine Gruppe gefunden, die eher aus der Jollenszene kommt und sportliches Segeln liebt. Unter sachkundiger Leitung wurden nahezu alle Segel ausprobiert, die der Segelboden so hergibt. Ich vermute, dass in den 4 Tagen mehr Manöver gefahren wurden, als mancher während eines 2-wöchigen Urlaubstörns fährt. Das mag dann auch die etwas lückenhafte Logbuchführung erklären.

Ach ja, die Statistik: 95 Tage, 2759 sm (77% gesegelt), 565 Std auf See (73% gesegelt, davon 19% im Reff und 5% unter Spi). Weitere Daten auf Anfrage.

Tim Ullner