Das Logbuch der Runö 2019

Es war ein ereignisreiches Jahr. Auch auf der Runö. 20 Reisen hat sie gemacht und war dabei doch nicht allzu weit von zuhause weg. Der östlichste erreichte Punkt liegt kurz hinter Bornholm, der nördlichste ist bei Juelsminde. Die Routenkarte zeigt, dass die Strecke von Fehmarn an Bagenkop vorbei nach Marstal und darüber hinaus sehr beliebt war. Vor ein paar Jahren hatte ich noch Bedenken mit der Runö durch das Mørkedyb zu segeln. Doch spätestens nach dieser Saison ist mit statistischer Sicherheit gezeigt, dass wir durch kommen. Wir haben schon weitere, schnellere und längere Reisen gesehen. Aber ist das unser Ziel? Nun, in den Statuten unserer Altvorderen steht ja sinngemäß, dass der Zweck unserer Gemeinschaft ist neue ebenso sichere wie anmutige Landungsplätze zu entdecken. Das ist aber nur der dritte der Punkte. Der erste Punkt fordert die „Erhöhung der gesellschaftlichen Freuden durch Veranstaltung interessanter und gemeinnütziger Wasserpathien“. Diese Forderung jedenfalls wurde gänzlich erfüllt, wenn man den Einträgen in den 3 Logbüchern glauben darf. 

Für unsere Jüngsten und Jugendlichen bedeutet das z.B. bei 10°C Wassertemperatur von Bord aus zu baden. Einer hat es auf einer anderen Reise sogar bis zur „Leichtmatrosentaufe“ durch Rasmus gebracht. Wie die Prozedur dazu im Einzelnen aussieht, ist leider nicht dokumentiert. Ich kann mir aber schöne Bilder vorstellen. Es war ein warmer, sonniger Tag. Die älteren Nutzer der Runö beschränken sich auf Einträge wie „Tolles Schiff“, „schnelle Überfahrt im Geschwindigkeitsrausch“, „toller Segeltag, alle reichlich rot“ oder “ Danke an die BSV für dieses Schiff“. Viele freuen sich schon auf den nächsten Törn.

80% der fast 450 Stunden auf See wurde segelnd verbracht. Oft war es recht pustig, das Trysegel wurde doppelt so häufig wie der Spi gesetzt. Aber wenn der stand, dann war die Freude wieder groß: „4 kn Wind und 3 kn Fahrt“. Insgesamt ist die Logbuchführung auf dem verbesserten Qualitätsniveau von 2018 geblieben. Fast immer leserlich, erfreulich oft konnte ich die Reiseroute nachvollziehen. Einmal allerdings erst zum Ende der Reise hin. Offensichtlich wurde ein Logbuchschreiberwechsel durchgeführt. Manchmal ist es unklar wer eigentlich der Schiffsführer war (was im Schadensfall tatsächlich zum Problem werden kann). Die Unterschrift „xxx“ hilft da wenig. Die Segelführung muss nicht immer dokumentiert werden. Wir haben ja nur 6 davon an Bord. Ich ging einfach davon aus, dass die Standardsegel gefahren wurden, wenn nix anderes erwähnt ist. Setzt jemand die schweren, orangenen Segel, dann wird es wahrscheinlich auch dokumentiert. Über den Detailierungsgrad der Dokumentation der Reise im Logbuch herrschen nach wie vor stark voneinander abweichende Vorstellungen. Es reicht von „Hafen morgens“ und „Hafen abends“ bis zur minutengenauen Eintragung jeder Wende. Erfreulich war übrigens in diesem Jahr, dass ich keinen Schlag in der Karte abzirkeln musste, um die Distanz herauszufinden. Alle Logbuchführer haben die Meilen eingetragen. Es wurden 3109 sm in 107 Tagen zurückgelegt, 86% davon unter Segeln. 12% der genutzten Tage wurden aus verschiedenen Gründen in einem Hafen verbracht. Die Erfahrung einer Crew deckt sich übrigens mit meiner. Sie lagen wegen Starkwindes einen Tag fest. „Ganz Gedser erkundet. Aufenthalt nicht länger als nötig!“ Viele Crews haben neben dem Segeln aber auch an Land feine Sachen erlebt. Da ist die Rede von Schwimmbädern, Radtouren, Eisbuden (die in Spodsbjerg bei der Minigolfanlage wird nicht empfohlen), Spaziergängen entlang der Küste oder durch schöne Städte oder Dörfer. Ein Highlight war wohl die Besichtigung des Geburtsortes unserer Runö: die X-Werft in Haderslev. Dazu benötigte man allerdings persönliche Beziehungen. Grundsätzlich sind unsere Schiffsführer am Wohlbefinden der Crew interessiert. So wurde ein „Halbwindkurs auf Wunsch einer einzelnen Dame“ gewählt. Oder es „wurden mal eben 97 sm abgeritten“ (mit tollem Sonnenuntergang und spektakulärem Sternenhimmel), um ein Crewmitglied von der schwedischen an die deutsche Küste zu bringen, damit man rechtzeitig zur SBF Prüfung zu Hause ist. (Prüfung wurde bestanden!)

Trotz vieler schöner Momente wurden auch andere erlebt. Eine Crew sah auf dem Weg in den schützenden Hafen eine gestrandete Yacht und einen suchenden, tief über dem Gebiet fliegenden Hubschrauber. Später erfuhr man, dass der Vermisste tot am Strand gefunden worden war. Da ist man dann froh, dass es einem selbst besser ergangen ist. Hatte man mehr Glück? Sicherlich gehört das auch dazu, aber Vorsicht, Erfahrung und eine gute Ausbildung helfen sicherlich auch.

Da ist es schön zu lesen, dass eine Crew mit vielen Neulingen den kompletten ersten Tag im Hafen verbringt und nur Manöver übt. Segel setzen, bergen, reffen. An- und Ablegen. Jeder Handgriff sitzt dann am nächsten Tag, als es wirklich losgeht. Dieser Übungstag wird nicht nur mit den lobenden Kommentaren der beeindruckten Nachbarn im nächsten Hafen belohnt, sondern vor allem durch die Ruhe, die der Skipper während der restlichen Woche erfahren darf. Mit Freude lese ich auch, dass fast alle Reisen mit der Übung von Sicherheitsmanövern beginnen. Darüber hinaus wird auch immer öfter eine Notfallrolle festgelegt.

So gab es keine Panik, als, Svendborg Sund gegen den Wind auslaufend, plötzlich die Maschine mit lautem akustischem Signal auf ihre Überhitzung aufmerksam machte. Routiniert wurde die Genua ausgerollt, die Maschine gestoppt und der Rest des engen Fahrwassers aufgekreuzt bis man freies Wasser hatte. Nun hatte man eine Crew, die selbstständig und sicher manövrierte, während der Fehler gesucht und der Impeller gewechselt wurde. Man soll ja aus jedem Vorfall etwas lernen: Der Grund für den Kühlwassermangel war der ungenügend zu geschraubte Seewasserfilter. Von unterwegs wurde ein neuer Impeller bestellt und vor Ende der Reise bei Smeet in Burgstaaken abgeholt. Soweit ich es herauslesen konnte wurde der aber über die Saison nicht mehr benötigt. Der Filter wurde auch von einer anderen Crew als problematisch bewertet. Ich hoffe all die anderen sind gut mit ihm klar gekommen…obwohl ich die Befürchtung habe, dass viele ihn einfach ignorieren. Im Winter wollen wir einen besseren installieren.

Im Sommer ist es in den meisten Häfen recht voll. Und wenn man endlich einen freien Platz gefunden hat, dann hängt dort ein rotes Schild. Eine Crew hatte das Glück in dieser Situation einen Ortskundigen zu treffen, der ihnen versicherte, dass das Boot heute aber nicht zurück kommen wird und sie gern dort liegen dürfen. Soll man sich nun über die ärgern, die das Schild nicht auf grün gedreht haben, oder lieber über den freuen, der einem das Liegen dort dann doch ermöglicht? Ich bin für das Zweite.

Eine Crew hatte wenig Wind und eine Drohne dabei. Die Runö wurde zum Fotomodell. Darüber hinaus entwickelte man die Idee, dass die Drohne doch auch bei der Suche nach einem Liegeplatz helfen kann. Die Luftbilder in den Hafenhandbüchern zeigen ja leider nicht die aktuelle Situation.

Kleine Missgeschicke passieren immer mal. Es ist ein Reflex, den jeder Segler früh lernt: Niemals ein Fall loslassen! Leider ist das einem Skipper sogar selbst passiert. Und ausgerechnet in dem Moment, in dem der verbogene Schäkel des Großfalls ausgetauscht wurde. Bei so einer Situation lernt man die Nachteile eines 9/10 Riggs kennen: Am Spifall, im Bootsmannsstuhl sitzend erreicht man die Großfallscheibe nicht. Zum Glück konnte ein kletterkundiger Mensch samt Klettergurt gefunden werden, der die restlichen 1,5 Meter überwand und das Fall retten konnte. Wie man später mehrfach lesen konnte, ist es kein Problem das Fall mit dem Bootshaken zu retten, wenn der Schäkel noch am Fall fest ist. 

Eine andere Situation, in der Fremdhilfe nötig war, war das Steckschott-über-Bord-Manöver. Im Hafen fest in der Box, bereit zum Landgang, rutschten beide Schotts über die Kante. Getöntes Acrylglas im Hafenschlick zu finden ist nicht so leicht, aber die Crew hatte Glück, denn am nächsten Morgen kam der Taucher einer Charterbasis vorbei geschwommen, der beide Schotts wieder gefunden hatte. 

Es gab Ungenauigkeiten bei der Logge, konnte ich lesen. Der ursächliche Fehler, nämlich Muscheln am Flügelrad wurde erst spät gefunden.

Die meisten Crews reisten am Sonnabendnachmittag an, kauften in aller Ruhe ein und segelten am Sonntag los. Einmal allerdings lief man umgehend mit dem leeren Schiff aus, da ein großes Treffen von VW Bussen für zu viel Lärm sorgte. Man kann auch in Heiligenhafen einkaufen. Die praktischen Karren lassen sich übrigens nicht nur für Gepäck und Menage verwenden, sondern taugen auch sehr gut für Krankentransporte bei Fußverletzungen, wie eine Crew vermerkt. So konnte eine Frau trotz gebrochenem Zeh den Ausflug zum Sonnenuntergang am Strand mitmachen. Sonnenuntergänge sind überhaupt sehr beliebt. Und die Dänen lassen sich auch immer etwas Neues einfallen, um die Urlauber fröhlich zu stimmen. Zum Beispiel das „Flottenballett der dänischen Marine im Sonnenuntergang bei Bagenkop“

Im Großen und Ganzen gibt es kaum Beschwerden zum Zustand der Runö bei der Übergabe. Einmal allerdings findet sich der Eintrag „Gasflasche war bei Übernahme leer, Groß nicht verpackt, Fall noch angeschlagen“. Das ist schade. Über die Reinlichkeit kann man unterschiedlicher Meinung sein, aber bei der Seemannschaft sollte es keine zwei Meinungen geben. Und apropos Gasflasche: Die Versorgung mit den 1,8 kg Flaschen wird offensichtlich zunehmend schwieriger. Wir werden das mit unserem Gasfachhandwerker mal besprechen. Übrigens gibt es für die Segler, die sich das Putzen ersparen möchten einen Reinigungsdienst, den man buchen kann. Bei Interesse vermittle ich gern.

Die Runö ist ja wahrlich kein Anker-Schiff. Das wurde bisher auch von niemandem vermisst. Daher war die Überlegung aufgekommen, ob das Schlauchboot überhaupt noch an Bord bleiben soll. Nun konnte ich mit Freude lesen, dass es sehr wohl gebraucht wird. Nämlich zur Weiterentwicklung der nautischen Fähigkeiten unserer jüngsten Nutzer. „Mit der neuen Pumpe ist das Schlauchboot schnell aufgepumpt und die Kinder können den Hafen auf eigenem Kiel erkunden.“

Wir haben offensichtlich immer noch, trotz der Abdichtbemühungen im vergangenen Winter, ein Problem mit einer undichten Stelle an Stb. Mehrfach wurde erwähnt, dass dort Polster, Lebensmittel oder anderes nass geworden war. Einmal wurde sogar Salzwasser im Topfschapp gemeldet. Lag es an dem vielen Wind in dieser Saison? Viel Wind = viel Krängung & Spritzwasser. Ein Wasserproblem konnte allerdings schnell gefunden werden: Der undichte Mastkragen. Dadurch war die Bilge in der ersten Hälfte der Saison immer gut gespült. „6 Liter Wasser aus der Bilge gepumpt“ oder „Wasser stand bis zum Metallrahmen unter den Bodenbrettern“ (…dann könnte bei entsprechender Krängung natürlich auch mal etwas davon bis ins Topfschapp gelangen…) Das sollte uns lehren die Bilge regelmäßig, auch unterwegs, zu kontrollieren und bei Bedarf zu lenzen. Wird die elektrische Pumpe verwendet, ist das Sieb auch häufiger zu reinigen. Nichtdestotrotz werden wir im Winter wieder auf die Suche nach der undichten Stelle gehen. Wer mit suchen möchte ist herzlich eingeladen!

Ein Skipper räsoniert darüber, ob der Spi nicht bald erneuert werden müsste. Ein Segelmacher, der unterwegs für eine kleine Reparatur aufgesucht werden musste, bekräftigt ihn darin. Auf derselben Reise läuft man nur unter Genua gute 6 Knoten und man sieht davon ab den Spi zu ziehen. Meiner Meinung nach ein weiser Entschluss.

Ein Crewmitglied testete unfreiwillig die Funktionstüchtigkeit seiner Rettungsweste bei einem Anlegemanöver. Ich bin froh, dass die Westen getragen werden. Das war vor ein paar Jahren noch verpönt. Allerdings sollte die Weste nach der „Prüfung“ auch baldmöglichst wieder einsatzbereit gemacht werden. Auch wenn noch genug Westen an Bord sind. Man könnte es am Ende der Reise vergessen.

Wenn viel Wind herrscht, dann sind meist auch die Wellen nicht klein. Auf einer Reise, auf der nur selten ohne Reff gesegelt wurde, waren 80% der Besatzung seekrank. Aber alle wollten bei nächster Gelegenheit wieder los und freuen sich schon auf eine neue Reise in 2020.

Unter Brücken kann der Wind schon mal anders wehen, als auf freier See. Darüber hinaus ist das Fahrwasser meist recht eng und zu allem Überfluss gibt es dort oft unerwartete Stromeffekte. Ein Skipper startet für die Passage die Maschine und lässt sie im Leerlauf auf Stand-by. So lernt er in dieser Situation unter Segeln klar zu kommen, hat aber noch ein Ass im Ärmel. Das ist gute Seemannschaft. Ob man allerdings im 2ten Reff an der Kreuz die Maschine in Stand-by braucht, ist wohl zu überlegen.

Es gibt Häfen, da ist der Lebensmittelhändler leider nicht in wenigen Minuten zu Fuß erreichbar. Eine Crew schlägt vor einen Elektroroller fest als Inventar an Bord zu haben. Ob sie unseren verspielten Bundesverkehrsminister damit erfreuen möchten, falls er mal zu Besuch kommt?

Eine Crew hat etwas entdeckt: „Vejrö ist das doppelte Liegegeld locker wert“. Eine andere sagt: „Hohe Düne ist riesig, aber spießig“. 

Beim Queren des Kiel-Ostsee-Weges ist Vorsicht geboten. Auf einer Reise wurde beinahe ein Luftballon überfahren. Ob er gerettet wurde ist nicht übermittelt. Auf dem Weg nach Kiel dagegen wurde eine Meerjungfrau mit leichten Blessuren geborgen. Sie durfte den Rest der Reise an Bord bleiben und diente häufiger als Objekt für MOB (eerjungfrau ver Board) Training. Wobei es einmal mit anderen Yachten in der Nähe zu Missverständnissen kommt, die aber geklärt werden konnten.

Ich bin immer wieder beeindruckt, was man in unserer kleinen Kombüse so zaubern kann. Der teilweise dokumentierte Speiseplan lässt mich manchmal neidisch werden. Da heißt es abends „18:00 fest, 18:30 Carbonara auf dem Tisch“ oder „Putencurry & Spieleabend“ aber auch „frisch gemachte Frikadellen, Kartoffeln & Quark“ klingen gut. Am verlockendsten klingt allerdings die „Nachspeisenplatte“. Natürlich sind auch die häufig erwähnten „ausgedehnten Frühstücke“ nicht zu vergessen. Insbesondere, wenn man danach die „früher ausgelaufenen Yachten alle beim Überholen noch mal grüßen kann“.

Schnuppersegeln gab es in dieser Saison mehrfach. Das erste musste leider wegen Starkwind ausfallen, konnte aber später erfolgreich nachgeholt werden. Erfolgreich heißt in diesem Fall, dass die Schnupperer schon für 2020 gebucht haben. So soll es sein. Geschnuppert wurde auch von den Jüngsten. Ein weiteres Mal war viel Wind, aber Segeln möglich. Den Neulingen gefiel der Tanz mit Rasmus im Bugkorb ausnehmend gut. Ich hoffe sie kommen in der nächsten Saison auch wieder. Man muss gar nicht viele Meilen segeln um Spaß zu haben.

Der Mensch sucht ständig neue Herausforderungen. Wenn man das ganze Revier nun schon kennt und auch sonst schon fast alles erlebt hat, dann braucht man schon etwas Phantasie für eine neue Aufgabe. Eine Crew hatte es sich zum Ziel gesetzt die ganze Reise über keine Wende zu fahren. Sie haben es geschafft! Nächstes Mal alles rückwärts abfahren?

Ein Hafentag mit Besuch des Schiffahrtsmuseums regt zu künstlerischer Tätigkeit an.